Browsergame

02.02.2013 22:51

Gibt es jenseits meines Browsers noch Leben? Es schneit seit Stunden, und es wird immer mehr, aber auch das Fernsehprogramm, welches nichts weiter als ein arrogantes Grinsen unseres kollektiven Selbstverrates ist, glänzt durch schwarzes Schweigen. Nein, im TV-Stimulator schneit es nicht. Da schneit gar nichts. Das ist alles außen. Zumindest Heute. Heute ist der Tag nach Gestern, ein Tag, auf den ich mich gefreut hatte, nicht weil es einen Grund gab sich zu freuen, den gibt es ohnehin nie, sondern weil ich gestern das Gefühl hatte, es kann nicht schlimmer werden; man freut sich dann automatisch. Immer. Und nun, also heute? Es ist bemerkenswert ruhig. Schnee scheint nichts zu sagen zu haben oder jedenfalls zu schweigen und ein bisschen kalt zu sein. Dabei sitze ich drinnen, wie wohl alle anderen auch, weil wirklich ununterbrochen seit Stunden das andere Schweigen vom Himmel purzelt. Ich wäre so gerne nicht hier. Ich wäre so gerne am Meer – nicht weil ich da geboren bin. Ich könnte dann aufs Meer starren und meine Gedanken in einer Frage destillieren, die könnte ich dann dem Meer stellen. Der heiße Dampf würde meine Augen aufhalten und mich wach. Ich weiß, dass es nur mit seinem Rauschen antworten würde. Doch das würde mir schon genügen. Das ist besser als dieses Schneien. Dann könnte ich es trinken. Eine lieblose Antwort. Aber es ging mir auch nicht darum. Und das ist besser als das Rauschen des Fernsehers. Noch nicht einmal die Imitation eines Meeres, nur das Grinsen, das Grinsen des Selbstverrates. Man stellt keine Fragen, wenn man mit sowas konfrontiert wird, freiwillig konfrontiert wird. Höchstens warum es so grinst.

Ich wollte dich aus meinen Gedanken ausschließen.

Jetzt ist da plötzlich ein „Dich“. Es war mir gar nicht aufgefallen. So sehr hatte ich nicht aufs Meer gestarrt oder in die Tonnen von Zuckerwatte. Dabei hatte ich meine Antwort gefunden. Ohne dich. Plötzlich hört es auf zu Schneien. Ich mache das Fenster auf. Nur ganz leicht. Diese Ruhe ist jetzt komischerweise noch stärker. Dann gucke ich, ob du mir geantwortet hast. Ich schließe den Browser. Mir wird kalt. Der Schnee also bleiben. Auch das arrogante Grinsen mache ich aus. Alles mache ich aus. Wenn es jenseits meines Browsers keinen gibt, dann gibt es auch da Draußen keinen? Ich stelle mir vor, was wohl passiert wäre, wenn ich anstatt am Meer, im Meer geboren und ertrunken wäre. Dann hätte ich auch niemals arrogant Grinsen müssen. Mit diesem Gedanken starre ich nun auf meinen Bildschirmschoner. Da der Effekt nicht eintrifft, hoffe ich auch nicht auf die gewünschte Rückkoppelung. Dann frage ich mich, wovor der Bildschirm eigentlich geschont werden muss, außer vor mir vielleicht, mir, der der einzige ist, der das Passwort kennt oder allgemein Frauen. Plötzlich merke ich, es hat gar nicht aufgehört. Es hat noch nie aufgehört. Schon immer hat es geschneit. Da muss ich lachen und falle vom Stuhl. In der Dunkelheit genieße ich die letzte Stille nach dem Urknall.