Ein Tag im Nirwana (ohne Nirwana)

02.04.2013 13:58

Ein Tag im Nirwana (ohne Nirwana)

 

Hervorgesucht kam jetzt das Gold zu Ehren:
Nur ächter Stein kann ächtes Gold bewähren.

 

Mein Herz fängt an zu jucken. Nun steht er da, unter seinen eigenen Zeilen – dem Verweis darauf, dass dies ein Stücken Wirklichkeit war. Die Schrift noch frisch. Jede subjektive Linie ist mir ein frohlocken und führt mich zurück – auch zum Fenster, denn es sollte dringend mal wieder geöffnet werden; Asche überall, nur nicht im Becher, und der Geruch.

Doch noch nie hatte ich am Zweifel gezweifelt …

 

»Ey, Arthur, hast du Bock einen durchzuziehen?« Sagte Arthur zu Arthur. Er sah mich skeptisch an. Auch für ihn war das wohl ungewöhnlich. So viele Gesichtsregungen waren eher selten. Doch baldig wandte er sich wieder ab, starrte die Wand an und gab hin und wieder ein beruhigendes Grummeln von sich, aber dennoch, recht modern der Mann, und bei dem anderen. Lethargie, dachte ich, dass ist Lethargie, doch es sollte noch besser werden – authentisch, dieser Mann.

Ich hingegen schaltete meinen Player ab und speicherte gefährliches Restwissen auf meinem Desktop. Noch nie hatte er mich unterbrochen. Er war einer der ruhigsten Menschen, die ich jemals kennengelernt hatte. Aber wenn ich ihn jetzt töte, werde ich dann neben ihm begraben sein? Hübsch, dachte ich …

 

Nun merke ich, dass ich auch so nicht daran gezweifelt hätte, sich etwas auf mich übertragen hatte: seine Zerstreutheit. Einflussüben einmal anders. Interessant ist nur, dass ich mich nie auf die Gedichte gestürzt hatte, immer nur auf die anderen Schriften, auf die Farben, die Frauen und die Frevelei.

 

Eigentlich habe ich mich selbst zum Vorbild, da ich, als ich 13 war, Nietzsche gelesen hatte. Doch schon kurz danach, kam ich in Berührung mit etwas, dass meine Innerlichkeit in Aufruhr versetzte.

Hätte ich ihn doch bloß in seinen 20ern bekommen, dann hätte ich mir meine Bi-Neugier auskurieren können, er hätte seine Zigarren und vielleicht hätten wir (indirekt) den deutschen Idealismus verhindern können – natürlich ohne es zu merken. Einen Hund habe ich schließlich auch nicht.

 

«Die Welt und das Nichts», sagte ich – da müssen wir erst einmal hinkommen.

Ob das Gras reicht?

«Shvadarma», brüllte er nur wieder. Nicht wie ein Löwe, eher wie ein Kind. Mein Sanskrit war aber recht grottig, was mich daran hinderte nachzuhaken. Entweder brüllte er irgendwas oder wir saßen einfach nur da und starrten. Zugegeben, viel hatte ich auch nicht erwartet, aber son bisschen Smalltalk über die Grundprinzipen der existenzialistischen Verfehltheit wäre doch schick gewesen.

«Sollen wir Hegel wiederbeleben und ihm dann ordentlich in den Arsch treten?» Er schaute nicht abgeneigt, grummelte aber nur wieder und starre sie an.

«Nietzsche?» Er schwieg. Hätte ich bloß Hübscher gewesen sein können, dann hätte er vielleicht geantwortet.

«Nach Weimar fahren?» Keine Regung.

«Die Frauenhilfe in die Luft sprengen?» Keine Regung.

«Auf Fichtes Grab kotzen?» Irgendetwas musste er doch Wollen wollen? Dieser Mann war tatsächlich ein (echter) Stein. Kiffen und schweigen – dies war alles. Ein letzter Versuch.

«Moksha?» Nein, er starrte nur. Ich schaute Arthur an, der spielte nur mit seinen Schultern. Ohnehin fragte ich mich, warum sie ihn mitgeliefert hatten. Dann starrte auch er die Wand an.

«Ey Schopi, willst du noch einen durchziehen oder Frankfurt unsicher machen?» Nach einer gefühlten Ewigkeit schenkte er mir seine Hand. Ich hingegen erneutes Feuer. Ich machte auch mit. Hatten sie »Mensch« eigentlich mit ihm begraben?

«“Man muß denken wie die Wenigsten und reden wie die meisten“». Kam es nach einer Weile heraus. Erzähl uns doch mal was neues, dachte ich nur und versetzte wieder einen in die Wand. Er machte sich wieder an den Joint. Ich hatte doch so viele Frage - jedenfalls dachte ich das. Ich baute den nächsten. Dann starrten wir wieder die Wand an. Nach etlicher unberuhigender Ruhe, kam doch noch was.

«“Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber nicht wollen, was er will“.» Wie wahr, dachte ich und holte die Bong hervor, ich wollte auch gar kein Dope mehr - sicherlich - dabei fiel mir ein Auge zu. Mein Herz gab nach. Arthur und Arthur teilten sich den Rest auf. Schließlich parkte ich sie vor meiner Nase und reichte sie dann weiter – sie hüllte das Zimmer in Bewegungslosigkeit. Ein schöner Moment eigentlich: Die Arthuren hatten mein Gras weggeraucht, was eigentlich noch für den ganzen Monat hätte reichen können, oder sagen wir mal die ganze Woche. Der Kerl ist echt nicht mit Gold aufzuwiegen.

 

Und wenn es doch nur ein Traum war, dann war ich wenigstens der Wahrheit näher. Aber wie hatte er dann Angefangen? Ach ja, mein Herz fing an zu jucken: Jedenfalls sehe ich meine Wand nun mit anderen Augen.