Kierkegaards Kiste

23.02.2013 20:31

 

Ich liege im Bett, weil ich nicht schlafen kann.

Eigentlich ist das okay. Aber heute nicht. Ich bin neidisch. Denn du schläfst. Nein, du schnarchst nicht, du träumst, weil du zuckst - wahrscheinlich. Vielleicht aber auch nicht: Jedenfalls grübele ich wie immer darüber nach, weil ich denke und weil es schon wieder diese Situation ...

Und ich weiß, was du träumst, weil ich weiß, was du willst, und ich weiß, was du willst, weil du hier nackt einfach neben mir liegt und weil ich hier nicht nackt neben dir liege und weil "Weil" genau das Wort ist, welches ich noch nie so richtig verstanden habe und weil ich eben nicht weiß, was ich will, aber dieses nackte "Weil" ebenfalls stört, im Gegensatz zu dir - jedenfalls so ein bisschen: Es mag ja okay und "weil"-sein, wenn Wasser seine höchste Dichte bei 4° hat oder wenn vielleicht Kinder auf Herdplatten fassen und dann komische Geräusche von sich geben. Bei Menschen klappt das alles nicht. In diesen Zusammenhängen, verstecken sich viele "Weils". Hier versteckt sich nichts. Ich sehe dich, weil ich dich anschaue; dich anschauen muss, aber ich verstehe "es" nicht, verstehe nicht warum du hier bist. Ich kann das "Warum" nicht sehen, weil ich wahrscheinlich kein "Weil" erkennen kann. Hier bin nur Ich, das Bett und die pure Nacktheit. Aber jetzt weiß ich wenigstens, was ich wissen will.

Ich sage, dass ich dich hasse und weiß, dass du mich nicht hören kannst und dass du mir nicht mit youtubeclips auf meine Hasstiraden antworten sollst. Aber du tust es trotzdem, weil du wohl irgendwie das "Warum" und das "Weil" nicht verwechselst, also verstehst und somit wohl auch genau weißt, was ich will. Ohne das ich mit dir reden brauch´. Ist das so?

Du sagst, mein Hass, sei nur eine Art meine Liebe vermitteln zu können. Ich lache dann immer nur, manchmal schüttel´ ich auch wild meinen Kopf, weil ich das "Weil" nicht verstehe oder die Herdplatte aus war. Ich weiß nur, dass ich dich dann anstarre und dabei nicht nackt bin und nicht neben dir liege und auch nicht an "Weils" und "Warums" denke. Aber denken tu ich dann trotzdem, denke ich und werde ratsam oder besser gesagt ratsarm. 

Ich versuche dann den Moment in meinem roten Slip aufzusaugen und meine letzte Zigarette zu rauchen, bevor die Sonne aufgeht und die Sicht vor unserem Fenster preisgibt: Ein riesiger zugeschneiter alter und leerstehender, aber gediegener Swimmingpool. Nein, ich bin nicht Sean Peen und nein, du bist Naomi Watts und nein, wir hatten keinen ranzigen und dreckigen Sex, der auch noch irgendwie unethisch war. Schließlich war da ja was mit dem Herzen und einem Schokoriegel. 

Nein, bei mir gibt es kein Frühstück nach dem Schlafen bzw. Sex. Trotzdem. Und ich habe jetzt bereits keinen Hunger. Eigentlich kotze ich nur, weil ich diese Leere mag. Warum das so ist, weiß ich nicht. Und wenn jetzt bloß nicht Dienstag wäre. Wenn jetzt bloß nicht Dienstag wäre, dann wäre vielleicht diese häßlich-alte Stofflampe an und dieses Motel würde seinen Höhepunkt an Ranzigkeit erreichen. Mir würde es dann trotzdem elendig gehen, aber immer hin könnte ich dann der Umgebung dafür die Schuld geben. 

Dann würde ich Absinth aus deinem Bachnabel trinken, wie früher, und hoffen, dass du nicht vergessen hast, dir das kleine bisschen Knotenpunkt an Fusseln zu entfernen. Dann müssten wir auch nicht reden, so wie jetzt, und wir würden einfach nur trinken und lachen oder du würdest schlafen und einfach nur unglaublich nackt sein und ich nicht, und der Hass wäre nicht so groß. Nicht so groß wie jetzt jedenfalls, denke ich und knipse die Letzte aus. 

Nun ist es dunkel und nein, die hässliche Lampe schweigt. Alles schweigt. Dann gehen die Warums und Weils schlafen und der ranzige, aber gediegene Swimmingpool hält ein Auge auf uns.