Metaphysik der Medien. Teil I

20.05.2013 00:37

M e t a p h y s i k    d e r

M e d i e n

 

 

 

 

                                              

                                           

P. Parszyk

 

Medienkritik,

Heideggers Auffassung von τέχνη

und Gelassenheit - sowie Instrumentalisierung des Bewusstseins durch Medien.

                                                                                                                       

     

    

 

 

 

… long live the doubt …

 

(Katatonia, burn the remeberence)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Cause I need to watch things die from a distance
Vicariously, I live while the whole world dies
You all need it too - don't lie.

 

 

(Tool, Vicarious, 10.000 days, 2006).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhalt

                                                                                                                Seite

 

     1. Die Dunkelheit in der Höhle (oder einführende Worte)

 

     Vorwort - Ein Ausflug in Platos Höhle?.......................................... 01-5

 

 

2. Das Licht in der Höhle (oder Einleitung)

 

2.1 Ziele der Arbeit ……………………………………………..….. 06-8

2.2 Der Ausgangspunkt oder die einfache Technik: Natur, Mensch, Kultur und Medien ……....……………………………………………................ 09-10

2.3 Eine kleine Geschichte der Technikphilosophie …................... 11-14

 

 

 

    3. Die Gestaltung der Schattenbilder (oder  Moderne Technik und die   

    Medien als Technik)

 

     3.1 Was ist oder sind ein Medium, die Medien? ...……...…........…. 15-17

     3.2 Medientheorien (und Technisierung?) …................................... 18-20

     3.3 Der Unterscheid und der Unterschied zwischen Krämer und MacLuhan

      …......................................................................................................... 21-22

 

 

 

    4. Flucht aus der Höhle (Heideggers Auffassung von τέχνη)

 

4.1 Heideggers „Kritik“ an der τέχνη …............................................. 23-26

4.2 Heidegger und die ἐποχή  …............................................................ 27

4.3 Heidegger – Seinsvergessen- und Gelassenheit ………………... 28-30

4.4 Der Hirte des Seins …………………………………………......…. 31

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhalt

                                                                                                                         Seite

 

 

5. Die Verbrennung (Realität und die mediale Lebenswelt – die Metaphysik der Medien)

 

5. 1 Grundlegung ….......................................................................... 32

5. 2 Wahrnehmungsprozesse ........................................................... 33-34

5. 3 Bewusstsein als Instrument …………. …................................. 35-37

5. 4 Technik als Erleichterung …..................................................... 38-45

     5. 5 Ein Fenster in der Höhle: Seneca – Das Bewusstsein zurück schieben…......................................................................................... 46-47

 

 

    6. Die Augen gewöhnen sich an die Wahrheit (Zusammenfassung und Literatur)

 

6. 1 Zusammenfassung 1-3 ….............................................................. 48-49

6. 2 Zusammenfassung 4-5 ….............................................................. 50-51

6. 3 Literaturverzeichnis und Quellen ….............................................. 52

6. 4 Medien ............................................................................................. 53

6. 5 Eigenständigkeitserklärung …........................................................ 54

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. Vorwort – ein Ausflug in Platos Höhle? – (ein polemischer Auftakt)

 

„Die These, Technik sei ein Medium, in dem sich menschliches Leben ereignet, wird von mehreren Autoren nachdrücklich vertreten.“[1]

 

Nach über 2.500 Jahren liegt Platos Höhlengleichnis noch immer im Trend. Und dies ist kaum verwunderlich, ist es doch m.E. aktueller denn je. Unsere „Medien“ - und damit vor allem die Medienwelt - scheinen einen Dualismus zu offenbaren, der gar nicht affiner zu Platos Höhle sein könnte. Einen Dualismus aus Realität und Medienwelt, Realität und Inszenierung oder gar Medienlügen; virtueller Realität(en) und Wirklichkeit(en): Dabei wird die virtuelle Realität immer realer bzw. wird besser organisiert und optimiert sowie authentischer und die Realität wird immer unbegreiflicher, verfremdeter bzw. sogar unwirklicher; subjektive und individuelle Eindrücke wichtiger – obwohl der Vormarsch der Technik in der Wissenschaft minütlich die Grenzen der Wahrnehmung, des Wahrnehmbaren erweitert, und damit „unser“ Wissen über die Außenwelt. Reale Realität unterliegt Perspektiven, wird verschieden wahrgenommen und unterliegt so einem Prozess, der Realitäten hervorbringt und in „unsere“ Lebenswelten einspeist: reale Realitäten? Doch dies ist gar nicht das Problem.

In Platons Gleichnis sehen wir (die Gefangenen) Schatten von tatsächlich existierenden Dingen, aber nicht die Dinge selbst. In den Medien, vor allem in Rundfunk, Fernsehen, Filmen und im Theater; besonders aber in den Nachrichten, als vor allem auch im Internet, dass in Analogie zu Simmels Auffassung vom Geld, und Heideggers Auffassung von Strom, stehen könnten[2], sehen (oder hören) wir Abbildungen von tatsächlich existierenden Dingen, wir sehen auch die tatsächlichen Dinge, aber eben nicht die tatsächlich existierenden Dinge selbst; wir können sie nicht berühren, sie aber dafür uns[3]. Und das ist der wichtigste Punkt. So wird auch Husserls Wesensschau auch immer mal Thema sein, da wir erkennen, aber nicht überschauen, worum es (eigentlich) geht, wenn Lichtbilder eingeschaltet werden und in unsere Protention (wie Sternschnuppen) fallen.

 

Fest steht: Wir starren auf Lichtbilder in der Fernsehröhre oder auf anderen Bildschirmen, oder hören akustische Signale aus elektrischen Geräten und stellen uns Bilder vor, oder sehen wiederum abgedruckte Abbilder auf zusammengesetzten Papieren. Die reale Realität wird verschoben. Das Sehen oder Hören, oder das Wahrnehmen, wird auf den Konsum eingestellt: dem Konsum von Dingwahrnehmungen – von wahrnehmbaren, konsumierbaren Dingen. Die materialisierte Realisierung dessen wird in Ausblick gestellt, ist aber en momento noch nicht gegeben bzw. möglich.[4] Der Schein der Oberfläche ist konsumierbar – eine Reduzierung des eigentlichen Dinges. Aber dieses Blut zu lecken, stellt die Chance aus: die Chance auf mehr Konsum, auf mehr Erfahrung und Wahrnehmung. Mehr ist besser und Nichts wollen besser als nicht-wollen - hier gedenken wir kurz Nietzsche. In dieser speziellen Disposition ist natürlich die Rede von Werbung: Eine sublime und unterschwellige Form der Aktivierung. Aber auch das Gegenteil ist an der Tagesordnung: die passive Haltung. Das Konsumieren aus der Distanz. Ja, wir leben in Extremen. Meistens auf  der emotionalen Ebene. Tragik in den Nachrichten ist genau so alltäglich wie die Gewalt oder die Komik in den medialen Verfahren der Kunst. Denn all dies ist Thema des Medienkarussells.

Dennoch unterscheiden sich die Gefangenen von uns, auch wenn wir viel mit ihnen gemeinsam haben. Unser „Gefesselt-sein“ ist metaphorisch zu verstehen. Ein funktionierender Spannungsbogen lässt uns kurzzeitig das Popcorn vergessen. Die Gefangenen bei Platon sind buchstäblich gefesselt. Sie werden gezwungen, die Schatten an der Wand zu „konsumieren“, zu verinnerlich, denn es ist nichts anderes da, was in Erscheinung treten könnte. Doch ist  genau das ihre Welt oder Realität, da sie keine andere kennen; kein Wissen von der eigentlichen Welt haben: der realen Realität, von dem, was „da“ draußen ist. Weiterhin werden sie an die pathetische Metapher geführt, an das Licht der Wahrheit. Oft wird auch von Befreiung gesprochen, allerdings unter Zwang. Denn es brennt: Das Licht der Sonne brennt in den Augen, der an die Dunkelheit der Höhle gewöhnten Besucher. Genauso verhält es sich wenn wir aus dem Kino kommen, wenn wir Teilhaber einer anderen Realität waren. Einer Realität aus der Sicht eines anderen – eines Künstler und daher einer künstlichen Welt.

 

Doch auch dort – in dem anderen Licht der Wahrheit – wissen wir von dieser realen Realität, einer vorgetäuschten Realität; einer fiktiven Realität. Dennoch vergessen wir es manchmal bzw. sind in der Lage. dies zu vergessen, wechseln von passiv zu aktiv und vergessen, dass wir (nur) in eine fiktive Realität eintauchten. Und genau deswegen suchen wir das Kino auf: Weltflucht. Der Mensch ist also tatsächlich Teilhaber an dualen Weltsystemen. Sogar mehr als nur zwei Welten. Wir haben und kennen viele Welten – Orte und Nicht-Orte[5] – durch die wir uns bewegen können. Der Mensch ist ein Weltenwechsler, was auch kein Problem darstellt: Die fiktive Realität ist ein Abschalten, ein Ausblenden der Tatsächlichen. Noch immer erholen wir uns im Traum von den Zumutungen der „Rationalität“. Noch immer dominiert unsere eigentliche Auffassung von der Realität. Eine rein objektive Welt gibt es nicht und kann es strenggenommen, analytisch auch nicht geben. Ein Common Sense einer subjekt-objektiven Welt, die unseren Handlungsraum darstellt, bleibt gegeben. Doch immer mehr Menschen fokussieren sich zu sehr auf die andere Seite. Die eigentliche Welt ist nur noch Pflicht und lästig.  Auch die Höhlenbewohner fliehen wieder zurück in ihre Höhle. Zu befremdlich war also die tatsächliche Realität – zu ungewohnt. Der wichtige unterschied allerdings liegt im Ausgangspunkt:

Platon: Ausgangspunkt → Höhle

Heute: Ausgangspunkt → reale Realität

Wenn wir also annehmen, unsere Realität wie wir sie kennen, sei die reale Realität[6], dann „switchen“ wir in die virtuelle Welt und nicht andersherum. Wir tun dies freiwillig, wir fliehen auch nicht, sondern regeln die Dauer des „Aufenthaltes“ selbst. Wir kaufen ein in der virtuellen Welt oder wie bereichern uns durch sie oder wie entspannen uns in ihr und wir erweitern sie. Wir spielen Browsergames, spielen in virtuellen Welten Rollenspiele, kommunizieren übers Internet, stellen uns selbst auf Plattformen und sozialen Netzwerken dar – kaschieren hier und da auch etwas, ent-werfen uns selbst neu oder stellen uns anders dar.

Und wir beobachten Medien und wirken sogar auf sie ein. Schließlich bestimmt noch immer die Nachfrage das Angebot. Schließlich ist auch die Medienwelt, eine industrialisierte. Die fiktiven Realitäten, die oft mit der realen Realität verflochten zu sein scheinen, dringen immer mehr in den Raum der realen Realität vor. Das Verhältnis ist längst reziprok und wir brauchen die Abwechslung, die andere Welt immer mehr. Aber warum?

Worauf ich aber hinaus möchte, ist, dass die „Medien“ uns stark beeinflussen. Und wenn ich „uns“ sage, meine ich unser Verhalten. Viele sagen sogar, die Medien würden uns einen Lebenssinn propagieren. Dieser „Sinn“ ist aber ein leerer, er hat keinen Gehalt: Die Massenmedien[7] lenken daher die Massen ab.

Zusammen mit anderen Weltinstitutionen, sei es Unterhaltung durch Sport, wie die Fußball-WM, oder Kulturindustrie[8], werden die Massen also beeinflusst und abgelenkt. Dies geht schon so weit, dass es sogar alternative Medien gibt. Sie entstanden aus der Motivation den „führenden“ Medien, hier vor allem in den „berichtenden“ Medien, Kontra zu bieten bzw. kritisch zu überprüfen. Es ist es schon lange kein Geheimnis mehr, dass Nachrichtenmedien gesteuert werden, also nicht frei und schon gar nicht objektiv sind bzw. nur das an die „Öffentlichkeit“ gerät, was auch an die Öffentlichkeit geraten soll.[9] Wo nach richten sich also Nachrichten? Dies sollte die Frage der Stunde sein! Es gibt einen Filter, der über die (eigentlichen) Medien gestülpt wird.

Medien 1 → Alles, was in die Medien hinein gespült wird, an Berichten, Informationen und Meldungen – Der Bereich, der Gegenstände, die eben nicht von den Menschen in der Höhle getragen werden.

Medien 2 → Alles, was dann tatsächlich gesendet wird, nachdem es gesichtet, gekürzt und zensiert worden ist – Der Bereich, der Gegenstände, die von den „Gefangenen“ wahrgenommen werden. Wer aber steuert denn nun diesen Selektionsprozess? Eine Frage, die ich weder beantworten will, noch kann.

Es wird also vorher überprüft, ob ein Beitrag oder Bericht gesendet wird oder eben nicht. Die alternativen Medien dagegen senden „frei“.

Sie wollen sich unabhängig machen von Steuerungsprozessen, was übrigens analog zu Filmen und Dokumentation steht, da auch diese dramaturgischen und konsumierbaren Prinzipien gehorchen müssen. Wenn nun aber die alternativen Medien die Medien überprüfen oder kritisch betrachten, wer überprüft dann die alternativen Medien bzw. garantiert, dass diese nicht ebenfalls (ästhetischen) Prinzipien oder Selektionen unterliegen. Aber landen wir hier nicht in einem infiniten Regress? Dies wird auch das Problem am Ende dieser Arbeit sein und bleiben (und nicht nur dieser): Alle Medienkritik kritisiert die Medien selbst über Medien – ob Literatur, YouTube oder filmische Beiträge, Medien rekurrieren immer auf sich selbst.

Diese Arbeit sieht sich dennoch auch als Kampfansage an die modernen, technischen Medien, mit dem Ziele darauf aufmerksam zu machen, was moderne Medien wirklich sind, eigentlich dahinter steht, drauf aufmerksam zu machen, welche potenzielle Gefahr von ihnen ausgehen kann, aber nicht muss und vor allem darauf aufmerksam machen, dass man sich eine skeptische Grundhaltung erhalten sollte, um sich die kritische Urteilskraft unterhalten zu können, also das, wofür Philosophie m. E. auch eigentlich stehen sollte. Dennoch soll die Technik nicht diabolisiert werden, sondern lediglich ins Bewusstsein rufen, dass unser Umgang mit ihr teilweise sehr kritisch bedacht werden kann, sollte und auch muss – so wie Heidegger es auch verdeutlichen wollte

 

„Aber jeder einzelne von uns, an und für sich ein Nichts, ist für einen unnennbar kurzen [12] Augenblick, eine Lebensdauer, in dieses Gewimmel hineingeworfen. (…).

Dieser Kampf ist das Leben, und zwar im Sinne Nietzsches als Kampf aus dem Willen zur Macht, grausam, unerbittlich, ein Kampf ohne Gnade.“[10]

 

 

 

 

 

 

 



[1] Rezension von Yannick R. Julliard, Siemens AG zu G. Gamm, A. Hetzel (Hg.), Auf dem Weg zu einer medialen Konzeption der Technikphilosophie – Konzepte, Unschärfen und Unbestimmtheiten, Bielefeld, (https://www.itas.fzk.de/tatup/062/jull06a.htm (Stand: 15.02.2013 [18 Uhr 19]), S. 1.

[2]Die Gemeinsamkeiten von Internet, Strom und Geld werden noch genauer von mir erläutert.

[3]Im Sinne von T. Elsaesser (Motion = Emotion), Tales of Sound and Fury. Wien, 1994.

1

[4]Also z.B. das Bestellen bei einem Shoppingsender, die Umwandlung des Lichtbildes in einen faktischen Gegenstand durch eignen Willen, eigene Aktivierung.

2

[5]Gemeint sind z. B. Bahnhöfe: Begriff nach der Theorie von Marc Augé.

[6]Hier spiele ich auf den für mich wichtigen Aspekt der Realitätsgestaltung durch Technik an. Ein besonders gutes Beispiel dafür ist die Dokureihe Unsichtbare Welten, BBC/Discovery Channel co-production, 2012). Aber auch die Geschichte zeigt, z.B. am Strukturalismus, durch die Erfindung oder Entdeckung der Chemie, wie Innovation das bestimmt, was unsere Realität bildet. Realität ist nichts Statisches. Man be-denke auch die Entdeckung des μικρό-Kosmos, durch das Mikroskope und des μακρό -Kosmos, durch das Teleskope.

3

[7]Wobei man hier sagen muss, dass auch schon der ganz kleinen Lokalzeitung, eine Ablenkung inne wohnt.

[8]Begriff von Adorno, vgl, Ästhetische Theorie.

[9]Thomas Wieczorek, Die verblödete Republik: Wie uns Medien, Wirtschaft und Politik für dumm verkaufen, Taschenbuch, Knaur, 2009.

 4

[10]Oswald Sprengler, Der Mensch und die Technik, Vor-Denker, Herbstedition, 2009, S. 6.