Placebo und Husserl

26.02.2015 12:25

Placebo und Husserl

"And I'll never be there for
I'll never be there for
Cause I'll never be there" Heißt es im Refrain der ersten Single-Auskoppelung des Albums "Loud Like Love" der mittlerweile weltbekannten Alternative Band Placebo. Diese Textestelle ist die Schlüsselstelle des Songs "Too many Friends", was durch das dazugehörige Musikvideo verdeutlich wird (Stichworte: Generation Smartphone, Digital Natives). Was wollen uns Placebo damit sagen?

Die Doppeldeutigkeit des Wortes "There", zu deutsch "Dort", meint hier, dass es nahezu unmöglich ist, für etwas "ein-zu-stehen", mit Betonung auf "stehen", wenn ein Urteil gefällt wird, ohne vorher leiblich anwesend gewesen zu sein. Dies lässt sich auch einfacher formulieren: Wer nicht persönlich da war, der kann sich von einer bestimmten Sache oder einem bestimmten Sachverhalt auch kein Bild machen. Ich war nicht da, stand nicht an diesem Ort, und kann daher der Sache oder dem Sachverhalt nicht gerecht werden. Ich kann dies Sache oder den Sachverhalt wahnehmen, aber nur immer über Bilder in Form von kanalisierten Medien. Man macht sich keine (eigenen) Bilder mehr, geht an die "Orte", recherchiert in Bibliotheke etc., sondern man nimmt nur noch die Endstücke, zwar über die gegeben leiblichen Dispositionen, wahr, aber ohne sich dabei in ein leibliches Verhältnis zu setzen; oder plakativ ausgedrückt: es ist was anderes vor den Pyramiden von Gizeh oder vor der Tempelanlage Angkor Wat zu sehen, als sich, beraubt von der hier mystischen Stmmung der Orte - dem Zauber - eine Postkarte, ein Bild oder eben ein Film über die Pyramiden oder eben Angkor Wat anzusehen. Nun geht es Placebo nicht in erster Linie um Orte, jedenfalls nicht in diesem Song, sonderm um Beziehungen, genauer gesagt um, wie in vielen Songtexten von Placebo, menschliche Beziehungen: eben um Freundschaft bzw. Freundschaften. Beziehung sind, wie der Name schon sagt Relationen und damit komplex. Das Pänomen der Intersubejtivität steht hiebrei im Vordergrund. "Too many Friends" ist aber auch ein Abscheid ("My computer thinks I'm gay / I threw that piece of junk away") und eine Einsicht("Too many")  zugleich: Es sind einfach zu viele, genauer gesagt zu viele Kontakte (modern-digital formulier): Das komplexe Phänomen der Intersubejtivität in der Form der Freundschaft infolgedessen überkomplex. Das Bedürfnis nach menschlicher Nähe kann genau wie die Tempelanlagen durch ein Bild ersetzt werden. Die digitale Ersatzbefriedung ist nur eine Illusion, der sich der Protagonist im Text nicht mehr aussetzen will. Denn er hat erkannt, dass Kontakte, mit denen man sich nicht trifft, nicht treffen kann, keinen Sinn ergeben: "I got too many friends
Too many people
That I'll never meet."

Auch im 21. Jahrhundert bleibt der Mensch mit seinem Leib an Zeit (objektiv wie subjektiv) und Ort gebunden. Auch Husserl, der oft als Vater, also Erfinder, der Phänomenologie bezeichnet wird, wusste dies und beschäftige sich zeit seines Lebens damit.